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r rJean-Pierre Pellet   artist contest winner first best schrift künstler foto malerei paint painting canvas
 

1

Die Einsamkeit ist eng geworden.

2

Mit leeren Händen steh ich da.

3

Was schulde ich dem Geist,

4

Verlasse den Ort,

5

Mir selber reisse ich das Herz aus dem Leibe

Sternenfeld - Bitola

Champ d'étoiles - Bitola

6

Zigarre

Die Eine Liebe

7

Archivraum - BIZ

8

Ungezähltes Schwingen der Ereignisse im Klang der Zeit

9

Alles ist Nichts, weil etwas nicht alles ist.

10

"Poesie-Ecke" einer Tageszeitung

Zeichen

Mukos

11

Kinderlied

Telegramm

Sentir les mots

12

Das Gebirg,

Die vergegenständlichte Leere,

 
 
 
 
 
 
 
 

1

Die Einsamkeit ist eng geworden.
Es tut sich viel zu viel rings herum.
Bald wird der letzte stille Flecken
vollgeredet,
vollgerufen,
vollgearbeitet sein.
Aber dann,
dann wird die stille Einsamkeit
aus der gedrängten Mitte
in den unendlichen,
weitgedehnten Kreis springen
und alles umgeben,
was sich tut,
soviel,
so überaus viel.
Das geschäftige Treiben
wird dann gedrängt
in die leere Mitte,
die weg ist,
draussen,
rausgesprungen
in die unendliche Freiheit,
getragen vom mächtigen Schrei,
des Einzigen,
das wir nicht mehr sehen,
da wir es gestossen haben
aus unserer Mitte.
Hätten wir doch nicht soviel getan,
hätten wir doch gelassen,
wie es war,
in der Mitte,
das stille Einzige.
Jetzt schlägt alles zusammen,
da es weg ist,
das Einzige.
Und uns drängt von draussen,
was wir zuviel gedrängt
und ausgestossen haben.
Zuviel getan,
und was schon war,
wollten wir nicht lassen.
Alles weg jetzt.
Und uns selber können wir nicht lassen,
denn die letzte Mitte,
wo wir uns fanden,
ist draussen.
Wir werden gestossen
und gedrängt,
da,
wo wir gedrückt,
gearbeitet,
gebaut,
fabriziert,
gebombt,
vergiftet,
getötet haben.
Wenn der letzte Baum gerodet,
der letzte Fisch im Wasser gestorben
und der letzte Vogel vom Himmel gefallen sein wird,
dann werden die Menschen merken,
dass man Geld nicht essen kann.
So sprachen die Indianer,
als wir ihr Einziges zerstörten.
Wie gross war die Liebe,
die Liebe der Indianer
zum Menschen,
zum Einzigen,
zur Stille der Mitte,
als sie uns mahnten,
die letzte Mitte,
unsere Mitte
zu bewahren.
Doch jetzt erdrücken wir uns,
da sie weg ist,
die Mitte,
die sammelnd uns das Wesen fügte.
Da sind wir,
Schlag um Schlag,
Auge um Auge,
Zahn um Zahn,
Leben um Leben.
Die allerletzte Einsamkeit ist in uns,
und die schmerzt.
Kein Schrei des Schmerzes
kann nach draussen,
denn draussen ist die Stille weg,
und es ist eng.
Alles, was wir tun,
soviel und zuviel,
tun wir uns selber an.
Wir zerfleischten - jetzt uns,
wir töteten - jetzt uns,
wir vergifteten das Wasser - jetzt unser Blut,
wir erstickten die Luft - jetzt unseren Atem.
Ohne Schmetterlinge der Sommer,
Sauer der Regen
und ohne Regenbogen die Sonne.
Sagte nicht das Bibelwort:
Darum soll mein Regenbogen
aus den Wolken leuchten,
dass ich ihn ansehe
und gedenke des ewigen Bundes
zwischen Gott und allem lebendigen Tier,
in allem Fleische,
das auf Erden ist.
Mein Gott!
Verlasse mich noch nicht!
Ein Regenbogenkrieger will ich sein.
Wann kommt die Zeit?
Die Prophezeiung ist alt,
jahrhundertealt:
Eines Tages,
sagte der Schamane,
werden die Flüsse voller Gift sein,
und die Vögel werden vom Himmel fallen.
Dann aber,
wenn die Gier
und das allzuviele Tun
den weissen Mann
bis an den Rand des Abgrunds
seines Untergangs gezogen hat,
dann werden die Regenbogenkrieger erscheinen.
Sie werden kämpfen,
- und das geronnene Blut unserer Kinder
beginnt zu fliessen
in unserer Adern Vergangenheit -
die geldfressenden,
maschinenreitenden,
bleichen Gesichter
aus der zerstörten Mitte treiben,
im Zorn,
wie Jesus von Nazareth,
als er,
die Peitsche in der Hand,
die geldzählenden Händler
aus dem heiligen Tempel trieb.
Oh, lasse den Regenbogen
in unsere Mitte sich senken,
dass Stille
in der Einsamkeit des Einzigen walte.
Und lass uns
in heiligem Abstand
nur schauen.
Nichts sollen wir tun,
was dem Einzigen nicht dient,
denn alles ist getan,
wo der Regenbogen
die Stille berührt.

(Basel, 26. April 1982)

2

Mit leeren Händen steh ich da.
Doch einen Wald
will ich für dich pflanzen.
Bäume mit tausenden von Blättern,
dreihundert Stämme sollen für dich stehen.
Zehn Monate und fünf Tage
will ich täglich
mit meinen Augen die Zweige
und mit meinen Händen die Wurzeln
eines kleinen Baumes suchen.
Denn wieviele Zweige
den Weg der Sonne
in die bewegten Schatten weisen,
soviele Wurzeln
führen die Erde ans Licht;
und jeder Ast
und alle seine Zweige
sind abgebildet drinnen,
an den Wurzeln,
in der Erde;
und nur so besteht,
wenn eine Wurzel jedem Zweig entspricht,
zwischen Licht und Schatten das Gleichgewicht,
die Farbe des grossen Geistes
im Walde unter den Bäumen.
Das darf jener nie vergessen,
der hinaufschauend den Stamm umarmt
und in den rauschenden Wellen des Lichtes
den Wind der Blätter erblickt,
dass jener Krone oben
tief unten
in der Erde
eine andere Baumkrone entspricht,
die so tief ins Dunkle reicht,
als hoch der Wipfel ragt;
so ist die Erde gebunden,
mit Wurzeln und mit Zweigen,
beidseitig an den Stämmen,
am Wind der grünen Blätter,
an der blauen Atmosphäre.
Das wussten die Indianer,
als sie die Toten
in die Bäume legten.
Denn wenn die Äste sich spiegeln
bei den Wurzeln in der Erde,
dann durften in den Bäumen ruhen
die Verstorbenen,
solange die geliebte Erde
die sanfte schöne Spur
ihres vergangenen Lebens trug.
Doch du,
die an alter Stätte
zwischen den drei Hügeln
jeden einzelnen
der Steine der Seduner küsstest,
du weisst es auch.
Es war damals,
vor sechstausend Jahren,
dass man anfing,
das Heilige
aus geweihten Wäldern
in die Steine zu übertragen.
Denn es waren jetzt,
und immer mehr,
auch die Gräber
und die Feuerstätten
aus Steinen hergestellt.
So begannen
auf dem Balkan auch
die alten Griechen,
mit Hammer und mit Meissel,
aus Marmorblöcken
Säulen herauszuschlagen.
Gleich Bäumen
in den Wäldern,
so richteten sie die Säulen auf,
und es entstand der heilige Tempel.
"techne" -
sagten die Griechen;
und sie machten Bäume aus Steinen,
die Säulen ihrer Tempel;
und sie machten Schiffe aus Bäumen,
die Schiffe der Krieger und Händler.
Und später bei Lepanto,
in der verlorenen Schlacht der Türken,
da gingen Makedoniens Wälder
mit ihren Schiffen unter.
Techne bis Technologie:
die Zeit ist jetzt gekommen,
das Heilige zurückzutragen,
aus den geweihten Steinen,
aus den Tempeln und aus den Kirchen
in die bewegten Schatten des Waldes,
in die Farbe des grossen Geistes.
So will ich
auf ein geschütztes Feld
für dich
dreihundertfünf kleine Bäume tragen.
In siebzig Reihen sollen sie stehen,
gleich sieben letzten Sekunden
eines Klagelieds der Erde.
Doch fest verwurzelt im Boden
und wartend ist diese Musik.
Denn solange die Stämme stehen
und die Bäume nicht vergehen,
verklingt kein Klagelied
der sieben letzten Sekunden,
der letzten Zeit zum Handeln.
Zehn Monate und fünf Tage
will ich für dich täglich
mit meinen Händen die Wurzeln
und mit meinen Augen die Zweige
eines kleinen Baumes suchen.
Dann werde ich warten und hoffen,
dass in meine Leeren Hände
du deine Hände gibst.

De profundis clamavi.
De Lynkeste reginam venustam
et animi stellam ipsam
augustam Rainam amavi.

(Basel, 26. Mai 1982)

Traduction:

Les mains vides, je suis là.
Pourtant, pour toi,
je planterai un bosquet.
Des arbres garnis de feuilles par milliers,
trois-cent troncs se dresseront pour toi.
Durant onze mois et cinquante jours
je chercherai un à un
de mes yeux les rameaux
et de mes mains
les racines d'un petit arbre.
Car, si les rameaux
dirigent la lumière du soleil
dans le ombres mouvantes,
autant de racines
amènent la terre au jour.
Et chaque branche
jusqu'à la dernière de ses ramilles
y est figurée dedans,
par les racines,
dans la terre.
Ainsi seulement,
entre la lumière et l'ombre est préservé
l'équilibre, la teinte du grand esprit,
sous les arbres, dans les bois.
Ceci n'oublierait jamais celui
qui, embrassant le tronc,
regarde vers le haut et voit
dans les ondes bruissantes de la lumière
le vent du feuillage:
Qu'à la cime d'en-haut
répond en profondeur, bien dans le sol,
un autre branchage
qui s'étend dans l'obscurité
aussi loin que s'élève le sommet.
De telle manière la terre est liée,
des deux côtés du tronc,
par les racines et par les rameaux,
au vent dans la verdure,
au bleu de l'atmosphère.
Les indiens le savaient
quand ils couchaient
dans les arbres leurs défunts.
Car, si les branches se reflètent
par les racines dans la terre,
il convenait alors que les morts
reposaient dans les arbres
tant que la terre chérie
portait, de leur vie passée,
la douce, la belle trace.
Toi aussi, pourtant,
toi, en lieu antique,
entre les trois collines,
toi qui baisa chacun
des menhirs des Sédunois,
toi, tu le sais aussi.
C'était jadis,
il y a six-milles années,
que l'on commença
à transférer le sacré
des forêts inviolables
dans la gravité des pierres.
En ce termps-là,
de plus en plus,
les tombeaux aussi
et les foyers étaient
confectionnés de pierres.
Ainsi, dans les Balkans
les anciens Grecs,
avec le marteau
et avec le burin,
se mirent à façonner
les colonnes de blocs de marbre.
A l'égal des arbres
dans les forêts,
ainsi érigaient-ils les colonnes,
et le temple sacré fut fait.
technë -
pensaient les Grecs,
et ils firent des arbres en pierre,
les colonnades des temples.
Du bois des arbres
ils construisaient des bateaux,
les vaisseaux des guerriers et des marchands.
Et plus tard, vers Lépante,
dans la bataille perdue des Turcs,
les forêts macédoniennes périrent
aussi avec les navires.
De technë à technologie:
il est temps maintenant
de reconduire la sainteté
des pierres sacrées,
des temples et des églises
dans les ombres mouvantes des bois,
dans la couleur du grand esprit.
Ainsi, pour toi,
je porterai,
à un champ protégé,
trois-cent cinquante petits arbres.
Ils seront rangés en septante lignes,
à l'égal de sept dernières secondes
d'une complainte de la terre.
Mais, fermement enracinée dans le sol,
cette musique tardera à retentir.
Car, tant que les troncs sont debout
et que les arbres poussent,
la complainte des sept dernières secondes,
du dernier temps d'action,
est prise dans le silence.
Jour par jour, pendant onze mois,
je chercherai pour toi,
de mes mains les racines
et de mes yeux les rameaux
d'un petit arbre.
Puis j'attendrai en espérant
que tu donnes tes mains
dans mes mains vides.

De profundis clamavi.
De Lynkeste reginam venustam
et animi stellam ipsam
augustam Rainam amavi.

3

Was schulde ich dem Geist,
der nur Schmerz erdenkt?
"Kann ich kommen in Deine Brust,
von uralter Freude das tierische Zeichen,
den Rhythmus der Wiederkehr zum Land der Ungeborenen,
den Ritus zu erfüllen",
und die Formel des Eintritts zu sprechen:
"aaa ooo zezophazazzzaieozaza eee iii zaieozoakoe ooo
uuu thoezaozaez eee zzeezaozakozakeude tuxuaalethukh"
"Balsam und Gift niederlegen
als Opfer des Blinden,
vernichtet in den Höhlen des Seins."
"In der Dunkelheit lebte ich
Milliarden von Jahren,
und niemand wusste,
dass ich bin."
"Das ist mein endloser Schmerz,
und der Schatten,
und die Nacht der Seele,
und keine Stimme habe ich zum Schreien."
"Bist Du die Stimme des Erwachens
in der ewigen Nacht?"
Wer zählt des Lebens Minuten?
"Jede: eine offene Tür
zur Unsterblichkeit
oder zum Nichts."
"Alles geschieht
hier und jetzt,
vor dem Tod":
Simon der Magier!
"Töte das Sterben",
Valentin!
Verloren geht der göttliche Funke,
der nicht zur Seele wird,
verloren die Seele,
die das Feuer nicht nährt,
erloschen das Feuer,
von dem die Welten nicht zünden.

Es wächst wieder der Mond,
von rechts nach links,
zu Selene`s Fülle,
in drei kurzen Tagen
die Ewigkeit der Liebe
des schlafenden Endymion zu fassen,
und der Nacht
das Licht
zu geben.

(Basel, 16. Februar 1983)

4

Verlasse den Ort,
wo das Böse aus dem Geiste blüht.
Denn in den Fehlern des Menschen
lässt das Böse
seinen Geist zu dunkler Macht entfalten.
So schlecht ist nur die Erde nicht,
dass sie den zerstörte,
der, Ruhe suchend und Frieden in Stille,
die Gedanken bescheiden zu seinen Füssen wendet,
um sein vom kühlen Schlamm beschmiertes
und vom frischen Grün der Matten
erleuchtetes Gesicht dann
gedankenvoll und voller Erde
am Brand der Sonne vorbeizudrehen.
Vertraue nur
in die tragende Erde,
in die zündende Sonne,
und alles wird dir gut.
Vergiss die schlechten Geister,
die ein Grab dir suchen,
bevor dich aus der geliebten Erde
die Kraft des wahren Lebens trägt.

(Basel, 6. juni 1982)

5

Mir selber reisse ich das Herz aus dem Leibe und werfe es vor mich in den Staub. An der blutnassen Herzhaut kleben jetzt sehr viele Staubkörner. In das klaffende Wundloch, aus dem mein Herz durch meine Hände zu Boden ging, drücke ich den nassen Blutmatsch hinein, der sich unter mir im Bodenstaub gebildet hat. Ich hebe das Herz auf, an dem so viel Staub klebt. Meine Hände werden fast so schmutzig wie das Herz. Ich stecke das Herz in die Brustinnentasche meiner neuen Jacke. Die ist ja auch schon blutverschmiert. Zugeknöpft ist die Jacke jetzt links vorne unschön und plump herausgebuchtet und hängt einseitig schwerer, wie wenn man das Fleisch für den Hund in der Brustinnentasche der Jacke von der Metzgerei nach Hause trägt. Aber das dreckige Wundloch sieht man jetzt nicht mehr. Das staubdicke Blut auf meinen Händen wische ich an den Hosenbeinen ab. Die Hände sind jetzt wieder sauber, doch nicht mehr wie vorher, als ich noch lebte. Obwohl ich schon tot bin, möchte ich noch schnell nach Hause und meine Hose auswechseln, bevor man meine Leiche findet.

(Basel, 7. August 1982)

 

Sternenfeld - Bitola

Im Feld der Zikaden im Babagebirge in Mazedonien.
Im Sternenfeld im mondlosen Himmel singen die Sterne.
Die Flügeltöne wandern schaukelnd vor und zurück
und nähern und weiten die Ferne.

Die Völle des Tages versinkt in der schwingenden Stille
der niederschwebenden Nacht.

Kommen die Götter, verweilen sie fern?

Das blitzt auf erst, wenn es tagt, im Anklang
der Stimmung der frühen Strahlen.
Die Sonne gewährt es aus freudenvollem Erwachen
oder bewahrt es in die schlafende Zukunft.

(Glis, 5. August 2002)

Traduction:

Champ d'étoiles - Bitola

Au champ des cigales dans les monts Baba en Macédoine.
Au champ des astres, sans lune le ciel, les étoiles chantent.
Les sons ailés vont balançant en avant, en arrière,
et rapprochent, et étendent au loin.

Le comblement du jour s'abîme dans le silence
vibrant de la tombée planante de la nuit.

Les dieux viennent-ils? Demeurent-ils au loin?

Flamboyant, cela ne paraît qu'à l'aube, dans l'écho
du ton des rayons matinaux.
Le soleil l'accorde dans un tourbillon de joie du réveil
ou il le garde dans le sommeil de l'avenir.

6

Zigarre

Ich will heim in die besten der Zehnerjahre.
Dumm will ich sein und mit unbeweglicher Einfalt in den gelben Flecken schauen.
Wenn das Wasser gefriert beginnt dann die Ruhe.
In die Haut zurück, die ich verloren habe, als ich nach draussen ging.
Und beim leisesten Geräusch ein wenig erschrecken,
als ob nichts gewesen wäre.
Könnte ich verweilen bis das Blut in den Adern gefriert?
Denn Feuerglanz ist oben
und ein wenig in der Spitze der Fackel der Einsamkeit.

(Basel, 17. Dezember 1980)

 

Die Eine Liebe

Dich umschliessen
und zugleich in dir sein.
Ich sei der Apfel,
in dem du bist der Kern,
an dir hängend,
du seist der Baum.

(Basel 1982)

7

Archivraum - BIZ

Das Kinn auf einem Archivbrett,
die Stirn in der Mitte halbiert
von einer kalten metallnen Stütze,
schielend nach links
schreibe ich
und werde bewusst,
dass ich nicht denke.
Zu schlaff,
auf einem Bein,
das andere gebeugt,
übermässig lauschend,
mit Herzklopfen beim geringsten Geräusch,
Erbärmlich, nur vor sich selber,
mit dem Gedanken an ein Grab
und dem Gefühl,
dass, wo ich stehe,
auf einem Bein,
das andere gebeugt,
mit gleichmässigem Herzschlag lauschend,
nach links schielend und schreibend,
erhaben über der Schrift,
das Kinn nicht mehr stützend,
die Stirn an der erwärmten Stütze reibend,
dass hier noch Leben ist.

(Basel, 27. Juni 1979)

8

Ungezähltes Schwingen der Ereignisse im Klang der Zeit
vereinigt Vergangenes und Künftiges zu jedem Augenblicik in das Ewige,
immer Stehende,
unaufhörlich Sich- Bewegende,
Nichts Durchziehende und innere Räume Füllende,
die Haut desjenigen, der Zeit nicht nur besteht, sondern lauscht, Erschütternde
und vor der gespannten Leere des Daseins Erzittern-Lassende.
Das Ewige, das alles umfassende Nichts, das ganzes Nichts erfüllende All
eröffnet sich nur im ungezählten Schwingen der Ereignisse im Klang der Zeit,
das Künftiges und Vergangenes zu jedem Augenblick in das Ewige,
immer Stehende,
unaufhörlich Sich -Bewegende,
Nichts Durchziehende und innere Räume Füllende vereinigt,
die Haut desjenigen, der Zeit nicht nur lauscht, sondern besteht, erschütternd
und vor der gespannten Fülle des Daseins erzittern lassend.
Das Ewige,
das alles umfassende Nichts,
das ganzes Nichts erfüllende All
im ungezählten Schwingen
der Ereignisse
im Klang der Zeit.

(Basel, 14. Januar 1979)

9

Alles ist Nichts, weil etwas nicht alles ist.
Nichts ist Alles, weil etwas nicht nichts ist.
Alles ist nicht etwas, was nicht nichts ist.
Etwas ist nicht alles, weil Alles nichts und nichts Nichts ist.
Nichts ist, was etwas nicht ist.
Etwas ist, weil etwas nicht nichts ist.
Nichts ist nichts, weil Nichts nicht etwas ist.
Was ist Nichts, wenn es nichts ist (nicht etwas ist),
und ist etwas, wenn es Nichts nicht ist?
Nichts ist Alles und etwas ist, was Alles nicht ist.
Warum ist Alles, wenn es etwas nicht und Nichts ist?
Es ist, weil es etwas gibt, das nicht Alles ist,
und ist nichts, weil es nicht etwas ist, das es gibt.
Es ist nichts, weil es etwas gibt.
Es gibt etwas, weil es (Alles) etwas gibt und nichts alles gibt.
Alles ist, weil es etwas gibt.
Nichts ist, weil es etwas gibt, was nicht nichts ist.
Etwas ist, weil es nichts gibt, was Alles und Nichts ist.
Nichts und Alles sind das, was es nicht gibt,
weil Nichts und Alles das sind, was Es ist, das gibt.
Alles und Nichts sind, weil sie nicht sind, was es gibt.
Alles und Nichts, sie sind, um es zu sein.
Es ist, was es ist. Es ist das selbe.
Alles und Nichts sind dasselbe.
Sie sind es, um das selbe zu sein, was Alles und Nichts und nicht Etwas ist.
Um Es zu sein, das Alles und Nichts als Dasselbe ist, gibt es Etwas,
das nicht Alles und nicht Nichts ist und nicht das Selbe ist,
weil es nicht dasselbe ist, was es ist.

10

"Poesie-Ecke" einer Tageszeitung

Aus undichten Dichtungen
im Falz der Ecke
strömt Geruch,
dass der Dichter verrecke.

Ver-ecken heisst:
zur Ecke werden,
wobei es diesseits nach innen geht,
jedoch draussen eine Spitze steht.

 

Zeichen

Unfassbar,
was man zu halten glaubt
in den Zeichen:
wie, was an den Händen haftet,
die man eben in den Sand stiess;
kaum Spuren einer Handlung,
Staub an der Hand.
Etwas wurde berührt,
das einem nicht eignet,
all-ein nur wahr ist,
als Zeichen aber nur auf Zeichensetzung deutend.

(Basel, 20. Oktober 1980)

Mukos (Bitola) Traduction: Mukos (Bitola)

Im Gegenlicht Dans le contre-jour
die Amsel, le merle
schwarz aus dem Baum, noir sortant de l'arbre,
vom Knochen den Splitter de l'os il lui apporta
brachte sie ihm, l'esquille qui,
der vom Anfang der Länge de l'origine de sa longueur,
den Faden bis zum Ende zieht. tire le fil jusqu'à sa fin.

(Bitola, 9. Juli 1987)

11

Kinderlied

Der Windbaum biegt sich,
die Blätter bauschen auf.
Bald trägt es ihn davon,
den grünen Ballon.
Im Blumenfeld klafft ein Loch,
die Sonne scheint hinein.
Und von den Wurzeln einer grünen Wolke
regnet es ab und zu
ein wenig Erde auf das Tal.

(Basel im Mai 1987)

Telegramm

Entschwunden sind die Tage.
Was bleibt, ist die Wunde.
Unter Tag liegt schwer das Blei
und zieht der Schwerkraft entgegen.

Gegen die Höhen blickt er
und rafft das Licht
und spricht:
"Senke den Azur in meine Seelen".

Wo der ist,
schweift mein Blick.
Wo ich bin,
schweigt niemand mehr.

(Sitten, 31. Dezember 1982, 15.45 )

 

                                                                                             Sentir les mots           
                                                                                                                    quand tu parles
                                                                                           qu'ils coulent entre mes doigts                                                                                                                                                                          comme du sable                                                                                                                                                                                                                                      ou soufflent-ils                                                                                        
                                                                                                                           dans mes cheveux
                                                                                                     qu'ils me grattent du front
                                                                           au  nombril
                                                                                            soit l'amour
                                                                                                  la rage
                                                                                                  l'esprit
                                                                                                             qui parle
                                                                                                                          je m'en fous
                                                                                                  c'est toi

12

Das Gebirg,
das Gebirg des Schweigens,
das erfüllte Schweigen des Wortes
hinausragend in
der zerklüfteten Stille gespannten Bogen,
gefügt im Vor- und Nachhall des
in der Vielfalt einigen Lautes der Überfülle;
aus dem Riss der Schmerzensgrenze in
die Sage des Bildes des sprechenden Klanges,
das Bild des Klanges des sagenden Spruches,
den Klang des Tones der bildenden Sprache gerinnend
zum spiegelnden Kristall der im Geviert aus dem Horizont der Zeit ereigneten Welt.

°

Die vergegenständlichte Leere,
das umgestülpte Chaos in seiner herausgebuchteten Klaffung,
Riesenphantom der machtschwangeren Wirklichkeit,
in das Sein und ins Nichts ausgefranstes Intervall verschlungener Einfachheit,
geblähte Völle von zermalmter Einzigkeit.

Die Fülle des verweigerten Randes der Unendlichkeit
aus der Mitte der Not des Daseins entspringt,
befremdlich berückend,
das Zwischen lichtend der Verweigerung,
wenn sinkt ins Tal der Horizont der Zeit
und spielend im Ereignis erfüllt den Raum.

Zum Zeit-Raum geht dann auf das tote Tal,
und im Lichten der Wahrheit spielende Schatten deuten das Intervall
und geben Farbe dem Streit.